Refugee-Highway-Partnership-
Konferenz in Griechenland

In Athen trafen sich im Januar 2022 440 Frauen und Männer aus 46 Ländern, die unter »
Flüchtlingen arbeiten. Sie lernen voneinander und ermutigen einander.

Der  hungrige Mann

Eine unvergessliche Begegnung nach einer Konferenz in Athen. Am Sonntag nach der Konferenz warte ich in einem Café draussen auf meine Kollegen von MEOS. Dann kommt ein Obdachloser auf mich zu. Er bittet mich, ihm etwas Geld zu geben, weil er schrecklich Hunger habe. Ich kaufe ihm ein Frühstück. Er setzt sich zu mir an den Tisch. Auf Englisch fragt er mich, wo ich herkomme. Als ich ihm sage, dass ich aus der Schweiz bin, wechselt er zu akzent-freiem Züritütsch. Er erzählt mir aus seinem Leben, wie er als Flüchtlingskind mit seinen Pflegeeltern aus Syrien in die Schweiz kam, dort zu Schule gegangen ist und sogar eine Lehre als Schreiner angefangen hat.

Dann senkt sich seine Stimme und sein Blick. «Leider habe ich einen grossen Fehler gemacht und bin ins Gefängnis gekommen. Danach wurde ich ausgeschafft. Mein Leben ist eine Katastrophe.» Ich spreche ihn auf Jesus an. Er nickt: «Ja, ich glaube an ihn.» In zwei Wochen muss er Griechenland verlassen. Ich bete mit ihm und drücke ihm den Rest meines Bargelds in die Hand. Er umarmt mich und sagt: «Gott hat dich zu mir geschickt. Das gibt mir Mut zu glauben, dass Gott mich nicht vergessen hat.»
Erlebt und erzählt: Markus Frauchiger

Ein Traum erfüllt sich

Niklaus, ich spüre in allen Berichten aus Athen eine
Veränderung, einen Aufbruch. Was ändert sich?

Es entsteht ein viel breiteres Miteinander. Man kann sagen, Hilfeempfänger und Helfer lassen sich heute nicht mehr so säuberlich trennen. Flüchtlinge helfen zusammen mit den Helfern aus dem Westen. Sie bringen auch die frohe Botschaft gemeinsam
zu den Geflüchteten. Es entstehen bunt gemischte Teams mit sehr grossen kulturellen Ressourcen und mit einer breiten Vielfalt an Erfahrungen. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Es erfüllt sich hier ein Traum, der uns schon seit dem Beginn der Flüchtlingsströme
motiviert, Flüchtlinge und Migranten zu fördern.

Das fordert auch ein Umdenken der Helfer von
Hilfswerken aus dem Westen.

Ja, das Umdenken hat schon stattgefunden. Es wird immer vielfältiger in die Tat umgesetzt. Umdenken ohne Umsetzung in die Tat macht ja wenig Sinn. Die Segens-Empfänger werden zu Segens-Spendern. Schneller und unkomplizierter können sie sich am Auftrag beteiligen. Sie müssen sich nicht mehr so lange bewähren und beweisen. Wir setzen nicht mehr auf perfekte Programme mit perfekten Resultaten. Sie erleben Hilfe und sie helfen mit. Sie erleben Jesus und erzählen ihren Landsleuten von ihm.

War die Hilfe vor kurzem noch kolonialer?
Man hat das Potenzial vielleicht zu wenig erkannt. Es hat aber auch damit zu tun, dass Flüchtlinge durch Organisationen wie MEOS gezielt gefördert wurden. Diese Männer und Frauen arbeiten nun in den Helferteams mit. Sie kennen die Sprachen und die Kulturen,
den Schmerz und die Ängste sowie den Stolz und die Minderwertig-keitsgefühle der verschiedenen Ethnien. Wir können viel von ihnen lernen. Unser Mitarbeiter Yones war vor sechs Jahren als Flüchtling in Griechenland. Nun hat er in Athen selber einen
Workshop geleitet. Das zu sehen, ist ermutigend.

Was ist vielleicht der grösste Gewinn aus dieser positiven Entwicklung?
Wenn ein Flüchtling in Griechenland Jesus erlebt und weiterreist, wissen wir, dass es auch im nächsten Land Leute gibt, die ihn empfangen und weiter begleiten. Er kann dort Christen aus seinem Land und aus seiner Ethnie finden. Wir alle sind heute viel besser vernetzt. Konferenzen wie diese in Athen tragen viel dazu bei. Früher waren wir eine kleine Runde Christen aus Westländern. Diesmal sind es 440 Leute, 140 davon stammen aus den Ursprungsländern, viele waren selber Flüchtlinge.
nachgefragt und notiert: Hans Ueli Beereuter

Ein ganz neues Miteinander

Unser Mitarbeiter Usama Hanna ist beeindruckt von der Qualität der Konferenz, von den Begegnungen, vom starken Engagement der Migranten aus verschiedenen Ethnien. «Es ist diesmal viel mehr als nur ein Runder Tisch, an dem Erfahrungen ausgetauscht werden, wie in vergangenen Jahren. Es gibt echte, tiefe Begegnungen von
Menschen verschiedenster Ethnien. Versöhnung und Heilung von Verletzungen wird erlebt und einander erzählt. Rund ein Viertel der Teilnehmenden sind Migranten. Sie prägen die Konferenz  entscheidend mit, an der ja der Dienst an Migranten Mittelpunkt ist.

Gott heilt ethnische Wunden
Ich war an einem Treffen von Arabern und Farsi Sprechenden. Emotionale Geschichten wurden erzählt. Erlebnisse von Heilung und Vergebung. Überwindung von ethnischen Barrieren, die unüberwindbar schienen. Ein Iraker erzählte, wie er sich in Deutschland in eine Frau verliebte, die Arabisch sprach. Er wusste lange nicht, dass sie Iranerin war, weil sie immer Arabisch redete. Durch die lange, leidvolle Geschichte hasste er alle Iraner. Doch nun hat ihn Gott – auf eine überraschend andere Weise – so nahe zu diesem Volk gebracht. Er kniete nieder und die Iraner beteten für ihn und segneten ihn. Eine Iranerin erzählte an diesem Treffen, wie sie früher ganz allergisch auf die arabische Sprache reagiert hatte. Sie sagte: «Ich konnte Arabisch nicht ausstehen. Und nun höre ich Lobpreislieder noch lieber in Arabisch als in Farsi.» Sie war im November in einem Team in Griechenland im Einsatz, in dem auch ich war. Die Gemeinschaft und Einheit in Jesus hat sie damals sehr berührt. Dieses Erlebnis hat ihre Wunden geheilt. Gemeinschaft ist so wichtig.»
erlebt und erzählt: Usama Hanna